Frau = Opfer. Warum das (nicht) mein Problem ist.
- AHK
- vor 4 Stunden
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Zwei Psychologie-Studentinnen der Privatuniversität UMIT haben eine Studie mit dem Titel „Gewalt gegen Frauen – und wir schweigen“ durchgeführt, deren Ergebnis (noch nicht peer-reviewed) kürzlich auf der UMIT-Website veröffentlicht wurde. Die Studie und die getroffenen Schlussfolgerungen werfen viele Fragen auf, daher erlaube ich mir einen persönlichen Kommentar.
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Häusliche Gewalt findet täglich statt und immer wieder wird man als Außenstehender damit konfrontiert – sei es, dass man die Nachbarn streiten hört oder die Arbeitskollegin wieder mit einem blauen Auge zur Arbeit kommt, weil sie „ungeschickt gestürzt“ ist. Auffällig ist, dass fast immer Frauen die Opfer von häuslicher Gewalt sind.
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Kathinka Enderle, BSc., und Olivia Sapinsky, BSc., Psychologinnen in Ausbildung, untersuchten im Rahmen Ihrer Bachelorarbeiten die Reaktion Dritter auf den Gewaltbericht einer Betroffenen. „Eigentlich wollten wir sehen, was passiert, wenn Betroffene erzählen, dass ihnen Gewalt widerfahren ist. Wir wollten herausfinden, wie die Menschen reagieren, die das mit anhören und wollten daraus Empfehlungen für den Alltag geben, wie man am besten auf einen solchen Gewaltbericht reagiert – die Realität hat uns dann allerdings kalt erwischt“, berichtet Olivia Sapinsky.
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An der Laborstudie nahmen 80 Personen teil, die Zeugen eines inszenierten Gesprächs wurden. In den Gesprächen gab abwechselnd eine der Versuchsleiterinnen an, durch ihren Partner häusliche Gewalt erfahren zu haben. Je nach Gesprächsgruppe wurde die Gewalt nüchtern oder entschuldigend geschildert. Danach blieben die Teilnehmenden zwei Minuten lang allein mit der vermeintlich betroffenen Leiterin. „Wir haben bewusst eine realitätsnahe, aber sichere Situation geschaffen, in der jede Person etwas hätte sagen oder fragen können“, erklärt Kathinka Enderle.
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Das Ergebnis der Studie war ernüchternd: Niemand reagierte. Es gab keinerlei Nachfragen, Unterstützungsangebote oder Versuche, Kontakt aufzunehmen. „Dass wir in 80 Fällen kein einziges aktives Eingreifen gesehen haben, war erschütternd – fachlich und persönlich“, sagt Kathinka Enderle. Die anschließenden qualitativen Interviews zeigen auf, dass das Gesagte nicht überhört wurde, auch wenn die Hälfte der Personen dies berichtete. Weibliche Teilnehmende beschrieben häufiger Gefühle wie Betroffenheit, Sorge oder Verunsicherung. Teilnehmende mit konservativerem Rollenverständnis zeigten teils starke emotionale Reaktionen, jedoch erfolgte keine Handlung, obwohl der Großteil der Befragten davon überzeugt war, dass das Gesagte stimmte.
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Warum blieb das Eingreifen aus? Die Interviews legen Ursachen offen: Unsicherheit. Angst, die Situation falsch einzuschätzen. Die verbreitete Vorstellung, Gewalt in Beziehungen sei eine „Privatsache“. Viele dachten, sie dürften nicht eingreifen, oder dass es nicht ihre Aufgabe sei. „Diese Zurückhaltung ist kein individuelles Problem, sondern Ausdruck sozialer Muster“, betont Olivia Sapinsky. „Wenn wir Gewalt im Umfeld als etwas ‚Privates‘ behandeln, schützen wir nicht die Betroffenen, sondern jene, die Gewalt ausüben.“ Die Forschenden sind sich einig: Es braucht weder Mut noch Fachwissen, um den ersten Schritt zu machen, nur die Bereitschaft, nicht wegzusehen.
Gewalt beginnt schleichendÂ
So weit, so mangelhaft. In der Veröffentlichung wird nicht darauf eingegangen, von welcher Art von „Gewalt“ überhaupt gesprochen wird. Erzählt die Versuchsleiterin davon, dass ihr Partner sie wieder einmal verprügelt oder vergewaltigt hat, oder geht es darum, dass er sie verbal gedemütigt hat? Sicher ist all das inakzeptabel und sollte in einer Beziehung nicht passieren, aber am Ende des Tages macht es doch einen Unterschied, ob eine Frau vergewaltigt oder beschimpft wird.
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Die zweite und viel wichtigere Frage ist: Warum wird erwartet, dass Fremde sich des Problems annehmen? Wenn die Betroffene mit jemand anderem in einem öffentlichen Raum darüber sprechen kann, kann sie doch auch mit der Polizei sprechen, oder jemand Vertrauten aus ihrem Umfeld um direkte Hilfe bitten. Warum sollte ein Fremder intervenieren, wenn er nicht einmal weiß, ob das Gesagte stimmt und er die Gesamtsituation nicht kennt?
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Denken wir das Ganze von Anfang an durch: Menschen sind emotionale Wesen und Emotionen können sich auch in Form von Aggressionen ausdrücken. Gewalt an Frauen beginnt meist schleichend, zum Beispiel mit einer Beschimpfung während eines Streits, bei der Frau sich denkt, dass er es ja nicht so gemeint hat. Dann streitet das Paar häufiger und die Beschimpfungen und Demütigungen nehmen zu. Ein halbes Jahr später bemerkt die Frau, dass sie jeden Tag die „Fotze“ und „blöde Kuh“ ist… Oder es kommt zu einem körperlichen Übergriff. Der Mann entschuldigt sich, beteuert, dass er das ganz sicher nicht wollte und dass er so etwas zuvor noch nie gemacht hätte. Frau ist unsicher, fragt sich, ob sie sein Verhalten möglicherweise provoziert hat? Dann passiert lange nichts. Und plötzlich resultiert ein anderer Streit in zwei gebrochene Rippen und einem blauen Auge. Natürlich ist sie selbst schuld. Würde sie ihn nicht ständig provozieren, dann würde er auch nicht ausrasten. Ärgerlich, dass er das dem blöden Trampel auch noch erklären muss… (so oder so ähnlich klingt die Logik dieser Männer).
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Bei Gewalt gegen Frauen muss immer das große Ganze betrachtet werden. Es geht um Dominanz, um Abhängigkeiten, um die Balance zwischen Alltagssorgen und Emotion: Eifersucht, Alkohol, Geldprobleme, die Liste ist lang. Gerade im Bereich Migration, wenn Frauen beispielsweise kaum Deutsch sprechen, keinen Beruf erlernt, mehrere Kinder haben, ihre Religion eine Scheidung als Todsünde ansieht und das soziale Umfeld null Unterstützung bietet. Woran sollen solche Frauen ihren Mut schöpfen, den Mann zu verlassen, zur Polizei zu gehen, davonzulaufen? Da tun sich Abgründe auf, die man von außen gar nicht erahnt und da wird’s richtig komplex, denn solche Frauen machen in der Regel gar nicht erst den Mund auf. Das sind nicht die Frauen, die ich in meiner weiteren Ausführung meine.
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Gewalt erzeugt beim Opfer in der Regel eines: Angst. Und Angst ist ein schlechter Begleiter. Wenn zur Angst noch Abhängigkeitsverhältnisse hinzukommen, wird es erst recht herausfordernd. Frauen sind oft abhängig, sei es wegen der Kinder, des Geldes, des sozialen Umfelds, das den Mann nur als den Netten kennt und einfordert, sie solle sich nicht so anstellen, oder wegen emotionaler Erpressung. Gaslighting ist ein Phänomen für sich. Hilfsangebote gibt es zur Genüge und es gibt auch Initiativen, die darauf abzielen, alle Frauen zu erreichen, man denke nur an die Aktion mit den Notrufnummern auf den Einkaufszetteln, und doch reicht das alles nicht aus, um Gewalt an Frauen zu verhindern oder Femizide zu stoppen. Das ist erschreckend.
Meine Rechte, meine Verantwortung?
Was mir an dieser Diskussion jedoch fehlt, ist die ehrliche und reflektierte Frage nach der Eigenverantwortung der Frau. Warum wird lautstark gefordert, dass fremde Leute, die nichts über die Beziehung wissen, intervenieren, anstatt zu fordern, dass Frauen stärker für sich selbst und ihre Rechte eintreten (die Härtefälle einmal ausgenommen)?
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Gehen wir zurück zur Studie. Wenn eine Frau darüber sprechen kann, dass der Partner ihr gegenüber gewalttätig wurde, aber selbst nicht zur Polizei geht oder sich anderweitig Hilfe sucht, dann wird das seinen Grund haben. Sie ist offensichtlich nicht eingesperrt, sie kann im Internet nach Hilfsangeboten recherchieren, sie kann sich an die jeweilige Person wenden, der sie das erzählt und aktiv nach Hilfe bitten. Wenn sie all das unterlässt und offensichtlich selbst keinen Schritt setzt, um sich dem zu entziehen, dann kann man nicht von fremden Menschen erwarten, dass sie das stellvertretend übernehmen. Das lässt sich auch nicht mit einem „Die Frau hat Angst oder ist eingeschüchtert“ rechtfertigen. Neutral betrachtet, wäre eine ungefragte Einmischung von außen sogar sehr übergriffig.
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Wenn ich im Kaffeehaus sitzen und so ein Gespräch mithören würde, dann würde mir das Gehörte ebenfalls missfallen, aber ich würde nichts sagen. Warum? Erstens: Weil es etwas gibt, das sich Privatsphäre nennt. Anderer Leute Gespräche mitzuhören, gehört sich nicht. Zweitens: Weil ich die Gesamtsituation nicht kenne und nicht abschätzen kann, ob diese Person die Wahrheit sagt. Aus meiner Zeit, in der ich selbst im Sozialbereich gearbeitet habe, kenn ich auch die andere Seite: Frauen, die ohne zu zögern auf den Mann einschlagen, ihn dann aber als Frauenschläger anprangern, wenn ihm der Geduldsfaden reißt und er zurückschlägt; um nur ein Beispiel zu nennen. Drittens: Weil diese Person offensichtlich kein Problem damit hat, darüber zu sprechen und sich als freier Mensch jederzeit Hilfe suchen oder an die Polizei wenden kann. Ob und wie die Polizei dann hilft, ist eine andere Frage; die Gegenfrage: Wieso sollte ich als Fremde besser helfen können?Â
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Viele Frauen wollen gar nicht, dass sich jemand einmischt, sei es aus Angst, dass die Situation weiter eskalieren könnte oder aus Scham, um nur zwei Beispiele zu nennen. Betroffene Frauen leben in der Regel nicht hinter dem Mond. Sie erkennen, dass sie sich mit dieser Situation unwohl fühlen. Sie wissen in der Regel auch, dass es Frauenhäuser und Anlaufstellen gibt, oder dass sie sich an andere wenden können. Aber sie haben ihre Optionen abgewogen und sich dazu entschieden, diese Möglichkeiten – aus welchem Grund auch immer – nicht auszuschöpfen. Das ist zu akzeptieren. Wenn jemand selbst nicht daran arbeitet, dass sich seine Situation verbessert, oder naiv darauf wartet, dass der Partner sich ändert, dem ist durch einen außenstehenden Laien sicher nicht zu helfen. Es bräuchte viel bessere Gesetze, sodass Frauen sich ohne Angst an die Polizei wenden und sichergehen können, dass der Mann ihnen nichts mehr antun kann. Dem ist aktuell leider nicht so, denn Betretungs- und Annäherungsverbote werden gerne ignoriert.
Ich persönlich halte es für falsch, Frauen automatisch in die Opferrolle zu verfrachten und sie dort belassen zu wollen. Anstatt einzufordern, dass fremde Leute sich aktiv einbringen, sollte man den Diskurs dahin lenken, dass Frauen lernen, für sich selbst einzustehen, und aktiv um Hilfe bitten. So ist die Verantwortung auch klar geregelt. Die Debatte um den Mann als Täter läuft gesellschaftlich schon seit einiger Zeit aus dem Ruder.
Nicht jeder Mann ist ein Täter. Und nicht jede Frau ist ein Opfer.Â
Dass Gewalt an Frauen überhaupt noch sooft stattfindet, ist auch darauf zurückzuführen, dass viele Frauen zu spät die Reißleine ziehen. Und nein, das soll nicht bedeuten, dass sie selbst schuld sind, aber dass wir alle daraus lernen müssen.
Die Studienleiterinnen zeigten sich schockiert, dass von 80 Personen niemand reagierte oder Hilfe anbot. Das liegt vermutlich daran, dass die Situation unberechenbar ist. Viele Frauen halten nämlich sehr lange an toxischen Beziehungen fest und am Ende ist die Person, die helfen wollte, der Schwarze Peter. Ich habe das selbst in meinem Umfeld erlebt. Manche Leute sind völlig immun gegen jede Art von Einsicht, bis es dann (fast) zu spät ist.
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Mit fällt da der Fall Jenni ein. Jennifer Scharinger wurde vor acht Jahren von ihrem damaligen Freund in einem Beziehungsstreit getötet, nachdem sie mit ihm Schluss gemacht hatte. Die Mutter der Betroffenen hat jahrelang versucht, den Fall aufzuklären, und sie hat immer gewusst, dass es der Freund von Jenni war. Aber man konnte es ihm nicht nachweisen, bis er schließlich gestand. Der Mörder von Jenni ist polizeibekannt und hat mehrere Anzeigen wegen Übergriffen an seinen jeweiligen Partnerinnen erhalten. Das Medium Heute führte ein Interview mit der aktuellen Lebensgefährtin von Jennis Mörder, aus dem hervorgeht, dass sie von Jennis Mutter vorgewarnt wurde, diese Warnung aber bewusst ignoriert hat. Obwohl sie von seinen Übergriffen auf die Exfreundinnen und von Jennis Ermordung weiß und im Übrigen selbst in einem Streit von ihm verletzt wurde, steht sie immer noch zu ihm und beteuert ihre Liebe… Wenn man als Außenstehender so etwas liest, bleibt man ratlos zurück.
Hilfe anbieten?Â
Ich zitiere Can Gürer: „Es geht uns nicht um Schuldzuweisungen. Stattdessen wollen wir deutlich machen, wie viel schon ein einfacher Satz bewirken könnte: ‚Geht es Ihnen gut?‘ oder ‚Brauchen Sie Hilfe?‘“.
Sorry, aber es erschließt sich mir nicht, warum ich einer Frau, die gerade davon erzählt hat, dass sie Opfer häuslicher Gewalt wurde, die Frage stellen sollte, ob es ihr gut gehe? Was soll die Antwort darauf sein? „Sicher geht’s mir gut, ich werde gerne verdroschen, vergewaltigt, beschimpft!“ Wir wissen, dass die meisten Leute lügen, wenn man sie fragt, ob es ihnen gut geht. So eine obsolete Frage zu stellen, nachdem die Frau gerade erzählt hat, dass sie Opfer häuslicher Gewalt wurde, empfinde ich als Affront.
Kommen wir also zur zweiten Frage: „Brauchen Sie Hilfe?“ Es gibt vier Möglichkeiten, wie das ausgehen kann. Variante 1: Die Dame lehnt meine Hilfe höflich ab. Variante 2: Die Dame empfindet meine Nachfrage als unverschämt und macht mir klar, dass mich das nichts angeht und sie keine Hilfe von mir möchte (hau ab!). Variante 3: Sie wird emotional und schüttet mir ihr Herz aus, will aber trotzdem keine Hilfe. Variante 4: In welcher Form auch immer: Sie möchte meine Hilfe.
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Nehmen wir also an, die Frau möchte meine Unterstützung. Wie genau soll diese aussehen!? Als Laie läuft man doch nicht mit einem Repertoire an Problemlösungskompetenzen für Gewalt gegen Frauen herum. Ich glaube, dass das Forscherteam hier generell eine sehr verkehrte Einschätzung des normalen Bürgers mitsamt seiner Kompetenzen hat. Logisch gesehen gibt es nur drei Möglichkeiten: Erstens: Man weiß also, dass die Frau sich bereits ihrem Umfeld anvertraut hat. Der nächste Schritt wäre aus meiner Sicht, sie zu ermutigen, zur Polizei zu gehen (vorausgesetzt, es liegt ein konkreter Tatbestand vor), allerdings wohl wissend, dass sie ohne konkrete Beweise vermutlich null Chancen hat und man ihr möglicherweise keinen Gefallen damit tut und sie einmal mehr hilflos in der Opferrolle verweilen muss… Als Außenstehende ziehe ich aber auch hier die Grenze und will keine fremde Frau zur Polizei begleiten, schon gar nicht, wenn ich nicht einmal weiß, wie die Faktenlage ist (wir wissen immer noch nicht, ob alles so stimmt, wie sie es erzählt hat und ja, es ist durchaus berechtigt, eine subjektive Darstellung als solche einzuordnen und andere nicht vorzuverurteilen).
Zweite Option: Man macht die Betroffene auf Hilfsangebote aufmerksam. Das setzt aber voraus, dass man diese selbst kennt und außer den klassischen Frauenhäusern wissen wahrscheinlich die wenigsten, was es so an Hilfe für betroffene Frauen gibt. Am Ende kann man ihr auch nur raten, diese zu googeln und sie ermutigen, sich dahinzuwenden.
Drittens: Ja, was ist drittens? Ihr Beziehungsratschläge geben? Wenn man sich anschaut, dass ein Großteil der Leute keine Beziehung halten kann, empfinde ich das als sehr fragwürdig. Was genau ist jetzt also diese Unterstützung, die erwartet wird? Wie soll ein Laie darauf reagieren?
Ein „Alles wird wieder gut“ halte ich in solchen Situationen für höchst unangebracht. Manche werden jetzt sagen: „Es hilft ihr schon, wenn sie darüber sprechen kann.“ Ja, das mag sein, aber erstens hat sie im genannten Szenario bereits darüber gesprochen und ganz ehrlich: Wer schüttet einer wildfremden Person außerhalb eines geschützten Settings wie Psychotherapie und Co seine intimsten Probleme aus!? Ich finde, da darf man zurecht skeptisch sein. Auch wenn aus dieser Frau zufällig gerade dann alles herausbricht, wenn ich sie darauf anspreche, bleibt die Frage, was ich dann mit diesen Informationen, mit diesem „Päckchen“, machen soll? Am Ende hat sie dann ihre Probleme bei mir abgeladen und ich kann das Päckchen dann karren. Was diese Geschichte in mir auslöst oder möglicherweise triggert, ist offensichtlich egal, oder wie? Ich finde, dass das Recht auf Eigenschutz hier durchaus schwerer wiegt. Diese Erwartung, dass man sich einfach fremder Leute Probleme annimmt, als hätte man keine eigenen, ist schon eine Sache für sich. Wer Hilfe anbietet, steht aus meiner Sicht auch in der Pflicht, diese zu leisten und dafür braucht man Ressourcen. Die meisten Menschen, die ich kenne, sind froh, wenn sie ihr eigenes Leben im Griff haben und sie ihre eigenen Ressourcen halbwegs haushalten. Warum sollte man sich also fremder Leute Probleme annehmen, wenn es kein akuter Notfall ist und diese auch selbst agieren könnten?
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Mir ist bewusst, dass es auch noch die Option gäbe, die Frau direkt zu fragen, was sie braucht. Darauf würde ich mich persönlich aber nicht einlassen, da ich damit schon zu viele schlechte Erfahrungen in anderen Settings gemacht habe. Am Ende sagt sie, sie brauche Geld, oder sie fordert etwas anderes Unangemessenes ein, dann ist man wiederum selbst das A-Loch, wenn man es nicht geben will. Wie gesagt: Man kennt diese Person nicht und man weiß nicht, welchen Charakter sie hat. Auch ein vermeintliches Opfer muss noch lange kein Lamm sein.
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Ja, es gibt gewalttätige Männer und ja, es gibt Frauen, die zu Opfern werden, aber dazwischen gibt es sehr viele Entscheidungen, die eine emanzipierte Frau richtig oder falsch treffen kann. Frauen sind nicht per se wehrlose Opfer, die gerettet werden müssen. Sie haben eine eigene Stimme und können für sich selbst einstehen und sollten dazu ermutigt werden, aktiv um Hilfe zu bitten, wenn sie diese benötigen. Ich halte es für grundlegend falsch und bedenklich, die Bevölkerung aufzurufen, sich in anderer Leute Angelegenheiten einzumischen, wenn die Fakten nicht geklärt sind. Das führt am Ende nur dazu, dass sich die falschen Personen anmaßen, anderer Leute Leben zu beurteilen und mehr Chaos als Nutzen stiften. Das sieht man bereits in anderen Lebensbereichen, wenn zum Beispiel eine hysterische Mutter die Polizei rufen will, weil ein Mann mit 30 Metern Abstand am Gehweg alleine an ihren spielenden Kindern vorbeispaziert (Was macht der Perverse alleine draußen in der Nähe vom Kinderspielplatz? Der hat da nichts verloren! Das muss ein Pädophiler sein!). Alles schon erlebt. Männer automatisch zu kriminalisieren und Frauen als Opfer zu sehen, ist keine Lösung. Ermutigt eure Töchter von klein auf, Grenzen zu setzen (siehe Artikel: Wut schützt Frauen) und lehrt euren Söhnen Respekt vor Frauen, dann ist der Gesellschaft und jeder einzelnen Person am meisten geholfen.
